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Sind wir alle traumatisiert?

Kennst Du das Beispiel schon? Ein Mann und eine Frau fahren mit dem PKW in Urlaub. Sie fahren schon eine ganze Weile auf der Autobahn, die Frau hat Hunger und sieht endlich ein Schild mit der Aufschrift “Raststätte”. Sie sagt zu ihrem Mann: “Schatz, hast Du vielleicht Hunger? Dann könnten wir auf der nächsten Raststätte halt machen” und er sagt: “Nein Schatz, ich habe heute morgen schon zu viel gegessen, danke dass du an mich denkst.” 

Dieses Beispiel könnte genauso gut umgekehrt sein. Wir trauen uns, aus Angst vor Ablehnung nicht, dem anderen mitzuteilen, was wir möchten oder nicht möchten. Deshalb  kommt es zu Missverständnissen.

Das ist nur ein Beispiel für vieles. Unterschwellig fühlen wir eine unbestimmte Unsicherheit, die von anderen auszugehen scheint. Dies ist jedoch eine Täuschung. Es ist ein Gefühl aus den ersten drei Lebensjahren, in denen wir der Unfähigkeit unserer Eltern, echten Kontakt und Verbindung aufzubauen, ausgeliefert waren. Zurückweisung, Gewalt, allein gelassen werden oder der Verlust unserer Autonomität, führte zu traumatischen Erfahrungen.

Der Teil unseres autonomen Nervensystems, der dafür zuständig ist zu erkennen, ob wir in Sicherheit sind, wurde hierbei dauerhaft blockiert. Auf Gefahr reagieren wir normalerweise der Situation entsprechend mit Flucht, Angriff oder sich totstellen. Das ist bei allen Säugetieren, wozu auch wir gehören, gleich.

Ist diese Funktion gestört, können wir nicht mehr wirklich einschätzen, ob ein Mensch, eine Situation oder eine Umgebung sicher für uns ist. Aus diesem Grunde ist für uns jeder Mensch der uns näher kommt eine, für uns meist unbewusst gefühlte, potentielle Gefahr. Wir reagieren auf den Menschen so, wie wir es aus unserer Kindheit kennen.

Wir erwarten unbewusst, sobald wir ehrlich mitteilen wie es in uns aussieht oder was wir möchten, vom Anderen wieder Zurückweisung, Gewalt, allein gelassen werden oder dass wir unsere Autonomität verlieren.

Deshalb versuchen wir die vermeintliche Gefahrensituation zu umgehen und auf Umwegen unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Dies führt natürlich zu Missverständnissen in unseren Beziehungen. Wir teilen nicht klar und deutlich mit, was wir uns wünschen und wissen es, aufgrund der selbst verursachten Verwirrung, oft selber nicht. Dies führt dann zu scheinbar unlösbaren Konflikten. Hier ist es wichtig behutsam an das Thema heranzugehen.

Professor Dr. Franz Ruppert, ein renommierter Psychotherapeut und Autor sagt, dass fast jeder Mensch in seiner Kindheit traumatisiert wurde. Deshalb ist es wichtig dieses Thema für sich zu reflektieren. Natürlich ist diese Beschreibung unvollständig und berührt noch nicht besondere traumatische Erfahrungen durch z.B. Unfall, Vergewaltigung oder Krieg.

Es gibt zum Glück heute die Möglichkeit, traumatische Erlebnisse zu überwinden bzw. aufzulösen, ohne dass wir die Situationen noch einmal durchleben müssen. Dennoch braucht man Mut sich dem zu stellen, denn unser Nervensystem fühlt sich in diesem Fall bedroht. Deshalb ist das Gefühl von Sicherheit in der Traumatherapie besonders relevant.

Ist unser Nervensystem wieder entspannt und funktionsfähig, kommen wir ganz im Körper an und wissen wieder wem wir trauen können und wem nicht, was wir wem sagen können und wo wir uns in Sicherheit befinden. Wir suchen wieder den echtem Kontakt und die Verbindung mit anderen Menschen.

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